Was stand hinter dem Projekt?
In unserer zunehmend durch bewaffnete und kriegsähnliche Konflikte, ungerechte Umverteilung von Ressourcen, Hunger, Klimakatastrophen und Flüchtlingskrisen geprägten Welt haben Kultur, Kunst, Literatur und Wissenschaft (mehr denn je) eine gesellschafts- und völkerverbindende Rolle zu spielen. Sie haben zur Aufgabe eine menschenwürdige Idee des Humanen ins Soziale zu inskribieren. Der Verein Initiative AFRIEUROTEXT ist fest davon überzeugt, dass Kultur, Kunst, Literatur und Wissenschaft nicht nur Brücken zwischen Kulturen bauen, sondern auch sozialen Frieden stiften. Österreich ist ein EU-Land und pflegt unterschiedliche Beziehung zu anderen Ländern der Welt. Es ist daher ein Mehrwert für unser wertvolles soziales bzw. kulturelles Feld Österreich, wenn den in Österreich lebenden Menschen die Zusammenhänge unserer Welt im Sinne einer Kultur des Dialogs, des Austausches und des Friedens differenziert verständlich sichtbar gemacht werden. Vorliegendes Projekt setzt sich daher zum Ziel, durch unterschiedlich gestaltete und geartete kulturelle, wissenschaftliche und künstlerische Veranstaltungen, das Bewusstsein der breiten österreichischen und europäischen Zivilgesellschaft – im Sinne einer bildungspolitischen Partizipation – auf die Zusammenhänge unserer Gegenwart aufmerksam zu machen. Dadurch wird ein Aufbrechen überlieferter verkrusteter Denkweisen ermöglicht. Es geht darum, einen Umdenkprozess auszulösen. Dieses Projekt bettet sich in die Vision und Mission von AFRIEUROTEXT ein, einen nachhaltigen Beitrag zu einer Kultur des Austausches, des Dialogs, des Friedens und des differenzierten Denkens und Handelns österreich- und europaweit zu leisten. AFRIEUROTEXT legt viel Wert auf Texte bzw. auf die „Textualität“ unserer Welt. Texte, [seien es literarische oder (nicht)literarische] vermitteln einen tiefgehenden Blick in Themen und Anliegen jeweiliger Gesellschaften. Texte können zu einer differenzierten Betrachtung soziopolitischer, volkswirtschaftlicher Verhältnisse, Strukturen und Verfassungen afrikanischer und europäischer Gesellschaften, sowie zu einer Kultur der wechselseitigen Achtung und des Friedens beitragen. Der AFRIEUROTEXT Textbegriff ist – über das geschriebene oder gesprochene Wort hinaus – im breiteren Sinne als Hinweis auf die Relationen, Kontingenzen und Kontiguitäten, als Hinweis auf die gewebeartigen Dimensionen unseres Alltags zu verstehen. Die Auseinandersetzung mit Texten für eine Kultur des Austausches, des Dialogs, des Friedens und des differenzierten Denkens und Handelns gehört zu den Wesensmerkmalen einer demokratischen Kultur.
Neun Veranstaltungen wurden von Januar bis Dezember 2019 in diesem Jahresprogramm über die Bühne gebracht.
1. AFRIEUROTEXT Straßen- und Gedenkjahresfest
Das AFRIEUROTEXT-Strassen- und Gedenkjahrfest 2019 fand am 30. März am Max-Winter-Park im 2. Wiener Bezirk statt. Es stand unter dem Motto „Dialog, Toleranz und Akzeptanz als Garanten für ein friedliches Zusammenleben“ und bettete sich in die Kultur der Erinnerung an die Vernichtung der JudInnen und anderer Völker in Konzentrationslagern durch den Nationalsozialismus sowie in die Kultur der Erinnerung an die Ausbeutung und Vernichtung von AfrikanerInnen in Kolonialplantagen und Bergbaukolonien ein. In diesen grausamen historischen Fakten sehen der Psychiater Frantz Fanon sowie die Schriftsteller Joseph Roth und Franz Kafka die Brüderschaft zwischen Juden und Schwarzen begründet. Wir leben in einer Zeit, in der überlieferte Denkweisen unsere Gegenwart derart prägen, dass immer mehr politisch-psychische Phantasmen einer Gesellschaft ohne den Anderen grassieren und salonfähig werden. Vor diesem Hintergrund setzte sich das AFRIEUROTEXT-STRASSEN- und GEDENKJAHRFEST 2019 zum Ziel, Dialog, Toleranz und Akzeptanz als Garanten für ein friedliches Zusammenleben zu fokussieren.
Hier einige Fotos vom Fest:
Das war das Rahmenprogramm des Straßenfestes:
Für die Kinder:
13:00 Uhr AFRIKANISCH-EUROPÄISCHE KLANGWELTEN: Trommel- und Tanzworkshop für Kinder mit Profi-Tänzer Jules Mekontso
Die Kinder verkörpern die Zukunft unserer Welt. Es ist daher notwendig, das Bewusstsein und Interesse für kulturelle Vielfalt spielerisch gerade bei jungen Kindern zur Horizonterweiterung und zum Wohl unserer Gesellschaft zu wecken. Dies geschieht nach dem Motto „Je früher desto besser“.
15:00 Uhr LESUNGEN für Kinder und Erwachsene mit musikalischer Begleitung
– Gelesen wurde aus einem vielseitigen Repertoire von Kinderbüchern Kurzerzählungen europäischer und afrikanischer AutorInnen mit musikalischer Begleitung. Es geht darum, bei Kindern das Bewusstsein und Interesse für kulturelle Vielfalt zu wecken.
– Eva Schörkhuber (Schriftstellerin aus dem 2. Bezirk)
AFRIEUROTEXT-Buchhandlung
BÜCHERSTAND UND LESEKAFFEELOUNGE: Das Gesamtsortiment der AFRIEUROTEXT Buchhandlung wurde ausgestellt – reichhaltige Bücherstände mit Schwerpunkt AFRIKA und EUROPA wurden den BesucherInnen zugänglich gemacht.
AFRIKANISCHE KULINARIK: köstliche afrikanische Spezialitäten für die FeinschmeckerInnen von 13:00 Uhr bis 22:00 Uhr
17:00 PODIUMSGESPRÄCH: DIALOG, TOLERANZ UND AKZEPTANZ ALS GARANTEN FÜR EIN FRIEDLICHES ZUSAMMENLEBEN
19:00 Uhr TANZPERFORMANCE – Jules Mekontso (Profi-Tänzer) und seine Tanzgruppe „Afro Yemba“
22:00 Uhr Ende des Festes
Wichtig: Das AFRIEUROTEXT Strassen- und Gedenkjahrfest unterstützte darüber hinaus die derzeit unter dem Projektnamen KILET KIASS (UNSER BROT) in Jaunde/Kamerun entstehende AfriEurotext-Frauenberufsausbildungsschule
Erste Phase: Eröffnung einer Ausbildungsbäckerei / Zielgruppe: junge Frauen aus armen Verhältnissen / Alter zwischen 15 und 22 Jahren. Näheres ist dem Projekt-Flyer zu entnehmen.
2. PODIUMSDISKUSSION: DIALOG, TOLERANZ UND AKZEPTANZ ALS GARANTEN FÜR EIN FRIEDLICHES ZUSAMMENLEBEN
Diese Veranstaltung fand am 30. März 2019 um 17.00 Uhr im GB*STADTTEILBÜRO UND NACHBAR-SCHAFTSGARTEN MAX-WINTER-PLATZ 23, 1020 WIEN im Rahmen des AFRIEUROTEXT Straßen- und Gedenkjahrfestes statt. Wir leben in einer Zeit, in der Propaganda mit der Figur des kulturell Anderen bzw. Fremden zu betreiben ein Job wie jeder andere Job geworden ist. Im Zeitalter politisch-psychischer Phantasmen einer Gesellschaft ohne den Anderen ist die Feindseligkeit zum Grundmerkmal gegenwärtiger demokratischer Vorstellungskraft bzw. -schwäche geworden. In seinem neuesten Essay – betitelt Politiques de l’inimitié (2016) (dt. Politik der Feindschaft) – taucht der Kameruner Geschichts- und Politikwissenschaftler Achille Mbembe in die Apotheke des Psychiaters aus Martinique (Frantz Fanon) ein, um eine psychoanalytische Heilung unserer Gegenwart vorzuschlagen. Diese Podiumsdiskussion fand im Rahmen des AFRIEUROTEXT Straßen- und Gedenkjahrfestes 2019 statt und stand – genauso wie das Straßenfest – unter dem Motto „Dialog, Akzeptanz und Toleranz als Garanten für ein friedliches Zusammenleben“. Das Podiumsgespräch setzte sich zum Ziel, Auswege aus fortbestehenden Feindseligkeitslogiken auszuloten, um die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Befindlichkeiten und Konstellationen unserer Gegenwart neu und anders zu denken.
PODIUM
Herr Niki Kunrath, Bezirksrat für den 2. Wiener Bezirk
Frau Christa Bauer MAS, VertreterIn des Mauthausenkomitees Österreich
Dr. Daniel Romuald Bitouh, Kultur- und Literaturwissenschaftler, Leiter von AFRIEUROTEXT (Kulturverein und Buchhandlung)
Moderation: Simon INOU, Journalist, Gründer und Chefredakteur des Fresh Magazins
Datum: 30. März 2019, 17:00 Uhr
3. LITERATURABEND – CELEBRATING THE WORLD OF SHEA
Diese Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Kleinverein SaWaShea am 26.06.2019 von 19.00 – 22.00 Uhr in der AFRIEUROTEXT Buchhandlung (Lassallestrasse 20 / 3, 1020 Wien) statt.
Es gab zahlreiche kurze Lesungen von Textauszügen aus der Weltliteratur, in denen die die soziale, medizinisch-therapeutische, wirtschaftliche und kulturanthropologische Bedeutungen der Frucht namens Shea auseinandergesetzt werden. Begleitet wurden die Lesungen und die anregenden Diskussionen im Anschluss mit dem Ngoni vom Virtuosen Adama Dicko.
4. MIGRATION, WIRTSCHAFT und DIGITALISIERUNG AUS AFRIKANISCHER PERSPEKTIVE BETRACHTET
Diese Veranstaltung fand am 3. Juli 2019 von 18 – 20:30 Uhr in der AFRIEUROTEXT Buchhandlung (Lassallestrasse 20 / 3, 1020 Wien) statt. Afrikanische Diasporaorganisationen Österreichs als ernstzunehmende AkteurInnen. Wie kann das unternehmerische Potenzial, die Terrain-Erfahrung und die Expertise afrikanischer Diaspora-Organisationen Österreichs in dieser POSTVERNETZUNGSZEIT für die Umsetzung arbeitsplatzschaffender Projekte, Initiativen oder Investitionen in afrikanischen Ländern genutzt werden?
Das Wort Postvernetzungszeit (bezogen auf Afrikanische Diaspora-Organisationen) heißt hier keineswegs, dass die Vernetzungsarbeit an Bedeutung verloren hat, sondern es wird vor allem eine verstärkt handlungs- und umsetzungsorientierte Arbeit afrikanischer Diasporaorganisationen herausgestrichen, die darauf abzielt nachhaltig die Lebensbedingungen der Menschen, das heißt auch die Machtverhältnisse vor Ort nachhaltig zu ändern. In einem Zeitalter, wo afrikanische Langzeitherrscher und Entscheidungsträger die Unterschlagung von Steuergeldern, die Marktfrauen, Bananen- oder ManiokverkäuferInnen und TagelöhnerInnen dem Staat zahlen, zu ihrem beliebten Sport gemacht haben. Wenn wenig bzw. nichts mehr von oben (sprich von afrikanischen Langzeitherrschern) zu erwarten ist, dann muss es von unten bzw. von grassroot-Projekten und -Organisationen kommen. Am 18. Dezember 2018 fand der EU-Afrikagipfel in Wien statt, während dem afrikanische und EU-Staatsfrauen und -männer sich vornahmen, afrikanische Länder künftig als Wirtschaftspartner auf Augenhöhe zu betrachten. Dabei spielte das Thema Digitalisierung eine leitmotivische Rolle, „Taking cooperation to the digital age“. Das Thema Migration aus Afrika nach Europa schien zwar nicht im Vordergrund zu stehen, aber es stand im Raum und schwang von Zeit zu Zeit in den Diskussionen mit. Denn es geht schließlich darum, Arbeitsplätze für die konstant wachsende Anzahl afrikanischer Jugendlicher zu schaffen und dadurch Perspektiven zu konkretisieren. Die versammelten europäischen policy maker einigten sich daher darauf, europäische wirtschaftliche Investitionen in Afrika zu erhöhen und anzukurbeln und einen legalen Rahmen zu schaffen, damit dies unbürokratisch geschieht. Dennoch, damit diese Vorsätze einer differenzierten Partnerschaft mit afrikanischen Ländern spürbare Wirklichkeit werden, ist die Berücksichtigung afrikanischer Diaspora-Organisationen Österreichs und deren Miteinbeziehung in die praktische Umsetzung unerlässlich und ein Muss. Es sollte nicht einseitig, das Unternehmen von österreichischen Klein- oder Großbetrieben sein. Afrikanische Diaspora-Organisationen Österreichs bieten sich nicht nur als Bestandteile eines Projektumfeldes an, sondern sie sind künftighin als notwendige PartnerInnen bei der Bewältigung von „toten Winkeln“, in den Mittelpunkt zu rücken. Ist es nicht an der Zeit, arbeitsplatzschaffende Projekte verstärkt zu fördern, die in afrikanischen Ländern von Afrikanischen Diaspora-Organisationen Österreichs initiiert und in Umsetzung sind? Es eröffnen sich win-win-Partnerschaften zwischen österreichischen klein-, Mittel- oder Großbetrieben und afrikanischen Ländern. Das Podiumsgespräch setzte sich zum Ziel, die österreichische Zivilgesellschaft und vor allem zuständige österreichische Förderinstitutionen von diesem Faktum zu überzeugen und gemeinsam Umsetzungspläne auszuarbeiten. Texte über Wirtschaft und Digitalisierung bezogen auf den afrikanischen Kontinent galten als Gesprächsimpulse. Es hat sich während des Gespräches herausgestellt, dass Bildung und vor allem (Berufs-)Ausbildung eine Grundvoraussetzung für einen effizienten und selbstbewussten Umgang mit unserem digitalen Zeitalter sind. Nicht nur Langzeitherrscher stellen ein Problem dar, sondern in zahlreichen afrikanischen Ländern ist eine deutliche infrastrukturelle Kluft zwischen städtischen und ländlichen Gebieten zu verzeichnen, was die Verbreitung, Anwendung und Nutzung digitaler Medien angeht. Ein Mindestmaß infrastruktureller Investitionen erscheint als Voraussetzung, um digitale Medien produktiv nachhaltig nutzen zu können. Trotz dieses unbestreitbaren Faktums erfahren afrikanische Gesellschaften eine (Ver-)Wandlung dank des Schrittes ins neue Medienzeitalter. Dass eine Applikation eine Antwort auf eine konkrete Frage bringen muss, ist verifizierbare Tatsache im afrikanischen Kontext. Die „algorhythmische Vernunft“ hat ländliche Gebiete Afrikas erreicht und erfasst und gestaltet den Alltag der BäuerInnen mit. Die Entwicklung von Applikationen kann nie ein Selbstzweck sein. Die Tatsache, dass Digitalisierung und Industrialisierung Hand in Hand gehen, zeigt sich am Beispiel zahlreicher europäischer Länder. Nur die neuen Informationstechnologien beweisen jeden Tag ihre Anpassungsfähigkeit. Sie passen sich an die gesellschaftlichen Begebenheiten an und sie bauen Grenzen des Denk- und Machbaren kontinuierlich ab. Circa 18 Millionen RuanderInnen und KenianerInnen verfügen heute über einen leistungsstarken Breitbandanschluss. Dies ist den Unterseekabeln zu verdanken. Zum digitalen Zeitalter gehören auch erneuerbare Energien. All dies scheint unsere ganze Welt in eine neue (Post-) Moderne zu katapultieren. Wenn man jedoch die Tatsache bedenkt, dass Digitalisierung mit Datenmissbrauch einhergeht, kann man sich schon die Frage stellen, welche Gefahren eine Durchdigitalisierung afrikanischer Gesellschaften in sich birgt? Die Digitalisierung des Subjektes und der Privatsphäre zum Beispiel, das Subjekt als durch die „algorhythmische Vernunft“ überschriebenes Wesen. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet kann man nicht umhin zu erkennen, dass Digitalisierung auch ein immenses wirtschaftliches, soziales und politisches Potenzial für afrikanische Gesellschaften bedeutet. Es ist nicht alles negativ. Es gibt nur Herausforderungen, die bewältigbar sind.
Hier ein paar Fotos:
PODIUM
Dr. Ing. Günter SCHALL, Leiter der Abteilung Wirtschaft und Entwicklung bei der ADA ( Austrian Development Agency)
Dr. Andreas MELÁN, Leiter der Afrikaabteilung beim BMEIA
Mag.a. Nella HENGSTLER, Afrika-Expertin bei der Wirtschaftskammer Österreich
Pascaline SALAY, in Österreich lebende Unternehmerin aus der DR Kongo
Moderation: Dr. Daniel Romuald Bitouh, Leiter von AFRIEUROTEXT (Kulturorganisation und Buchhandlung mit entwicklungspolitischen bzw. sozialunternehmerischen Agenden in Österreich und in afrikanischen Ländern)
Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde die derzeit unter dem Projektnamen KILET KIASS (UNSER BROT) in Jaunde/Kamerun entstehende
AfriEurotext-Frauenberufsausbildungsschule öffentlich präsentiert.
Erste Phase: Eröffnung einer Ausbildungsbäckerei / Zielgruppe: junge Frauen aus armen Verhältnissen / Alter zwischen 15 und 22 Jahren. Näheres ist dem Projekt-Flyer zu entnehmen.
5. VORTRAG: Chinas Rolle in der Wirtschaft Afrikas am Beispiel Senegals
Diese Veranstaltung fand am 13. Juli 2019 um 12.00 Uhr im Rahmen des Kenako Afrika Festivals in Berlin statt.
Der chinesische Einfluss in Afrika lässt sich kaum noch abstreiten, verschiedene Projekte der Infrastruktur, allgemeines Bauwesen und Bildung geschehen in afrikanischen Ländern in Kooperation mit chinesischen Konzernen. Der chinesische Präsident Xi Jingping stattet dem afrikanischen Kontinent regelmäßige Besuche ab. 2018 besuchte er beispielsweise Senegal, um die wirtschaftliche Kooperation auszubauen. Wie kann Senegal davon profitieren und was sind potentielle Gefahren einer so engen Zusammenarbeit?
Referent: Dr. phil. Daniel Romuald Bitouh
6. LITERATUR- UND REFLEXIONSABEND ZU NELSON MANDELA’S LEGACY
Politik und Poetik des Möglichen / Literaturabend im Zeichen Südafrikas. Anlässlich des Nelson Mandela Tages
Diese Veranstaltung fand am 31. Juli 2019 von 19 bis 22 Uhr in der AFRIEUROTEXT Buchhandlung (Lassallestrasse 20 / 3, 1020) anlässlich des 101. Geburtstages von Nelson Rolihlahla Madiba Mandela , [nelsɒn xoˈliɬaɬa ma´ di: ba´ man´ deː la´] (1918-2013) statt.
Einer politischen Figur globaler Dimension, die in die Weltgeschichte unsterblich als eine Persönlichkeit eingegangen ist, die nachhaltig nicht nur für das Ende und die Beseitigung des Apartheid-Regimes in Südafrika gewerkt und gekämpft hat, sondern er hat durch seine unermüdliche Friedensarbeit den Grundstein für ein friedliches Zusammenleben im Post-Apartheid-Südafrika gelegt. Nelson Mandela wurde dadurch zur Inspirationsquelle für Millionen von Menschen weltweit und bleibt unauslöschlich im globalen Kollektivgedächtnis. Im Mittelpunkt des Literatur- und Reflexionsabends standen Texte südafrikanischer AutorInnen, die sich mit der Geschichte, Gegenwart und Zukunft der sog. Regenbogennation dichterisch oder prosaisch auseinandersetzen. Unterschiedliche AkteurInnen aus der in Wien lebenden afrikanischen Gemeinschaft sowie aus der breiten österreichischen Zivilgesellschaft tauschten Gedanken über das Werk Nelson Mandelas aus und analysierten konstruktiv und produktiv derzeitige Verhältnisse in Südafrika. Der aus Kamerun stammende und seit den 1990er Jahren in Johannesburg lebende und arbeitende Politik- und Geschichtswissenschaftler Achille Mbembe beschreibt das Post-Apartheid-Südafrika als ein Land, in dem sich die Zukunft unserer Welt anders abspielt als in Europa. Ein Land an einem paradoxen Scheideweg. Südafrikanische SchriftstellerInnen und DichterInnen wie Ivan Vladislavić, Imraan Coovadia, Antjie Krog und Koleka Putuma (unter anderem) unterstreichen jede/r auf eigene Art und Weise die Komplexität des Schreibens im gegenwärtigen Südafrika.
Ivan Vladislavić, südafrikanischer Schriftsteller mit irischen und kroatischen Vorfahren. Ihm geht es um die komplexe Suche nach Wegen eines neuen Zusammenlebens in einer sicherheitsbesessenen Post-Apartheid-Gesellschaft. Sein Roman Exploded view. Johannesburg (2004) führt die LeserIn in die Mäander der Weltmetropole Johannesburg, einer Stadt, die Achille Mbembe optimistisch und zukunftsdeutend wie folgt beschreibt: “The peculiarity of this place is that it belongs to multiple worlds at the same time. There are parts of this city, which look like Los Angeles. There are other parts, which look like Kinshasa. There are people coming from all over the world. It is this cosmopolitan flavour in Johannesburg that is pretty unique.” (1). Die talentierte Künstlerin Natascha Merveille Bope las Passagen aus dem Roman Exploded view. Johannesburg.
Imraan Coovadia ist südafrikanischer Schriftsteller mit indischen Vorfahren, die nach Südafrika emigrierten. Ein Teil der indisch- stämmigen, südafrikanischen Gemeinschaft kämpfte Seite an Seite mit den Schwarzen Südafrikas gegen das Apartheidregime. Nach der Beseitigung dieses Regimes fühlte sich die indisch- stämmige Gemeinschaft im Stich gelassen. Dies thematisiert Imraan Coovadia in seinem gesellschaftskritischen Schreiben. Aufbruchsstimmung und Resignation, das sind die Pole, in denen sich die Figuren seines Romans Vermessenes Land (2016) bewegen. Die indisch-stämmige südafrikanische Mittelschicht, die einen gewissen wirtschaftlichen Aufschwung genießt, macht nichtsdestotrotz die Erfahrung durch, dass Geld oder Gold nicht vor Diskriminierung schützt. John Osamwony las Passagen aus Vermessenes Land. Coovadias Roman Gezeitenwechsel (2011) schildert ein Südafrika, wo Schwarze Machtpositionen innehaben, aber das Land ist noch weit davon entfernt ein Paradies zu sein. Die Handlung in Gezeitenwechsel spielt in der Amtszeit von Thabo Mvuyelwa Mbeki. Thabo Mbeki, der von 2002 bis 2009 als Präsident der Republik Südafrika amtierte, leugnete den Zusammenhang zwischen HIV-Infektion und AIDS. Die HIV-Debatte in Südafrika ist dennoch sehr komplex und lässt sich überhaupt nicht plakativ erörtern.
Antje Krog kommt aus Kapstadt und ist Tochter weißer Buren. Als Teenager zeichnete sie sich schon als engagierte Kämpferin des Apartheid-Regimes aus. Im Buch Country Of My Skull (1998) reflektiert Antjie Krog die 1996 von Nelson Mandela eingesetzte Wahrheit- und Versöhnungskommission. Ziel dieser Kommission war unter anderem, den Weg für ein neues und vor allem friedliches Zusammenleben im Post-Apartheid-Südafrika zu ebnen und gesetzlich zu verankern. Laut Antjie Krog verwandelte sich die Wahrheitskommission in eine Bühne, wo ehemalige Täter sich als Opfer selbst darstellten. Antjie Krog schrieb früher auf Afrikaans (der Sprache weißer Buren) und wusste nach der Beendigung der Apartheid nicht mehr, in welcher Sprache sie schreiben konnte. Afrikaans betrachtete sie künftighin als die Sprache der Täter. Worüber schreiben und in welcher Sprache überhaupt? Das ist die grundlegende Frage, die sich derzeit südafrikanische SchriftstellerInnen stellen. Die Texte von Antjie Krog wurden von Frau Christina Bauer und Frau Melissa Bope gelesen.
Koleka Putuma, geboren 1993, ein Jahr vor dem offiziellen Ende der Rassentrennung. Sie gehört also zu der südafrikanischen Generation, die als „the born free“ (sprich die Frei-Geborenen) bezeichnet wird. Mit einer chili- und skalpellscharfen Sprache seziert sie eine Nation, die noch Symptomen der Racial Segregation aufweist. In ihrem Gedichtband Collective Amnesia (2017) stellt die selbstbewusste, atemberaubende und talentierte südafrikanische Slam-Dichterin Fragen einfach anders. Koleka Putumas Gedichte wurden von der Künstlerin Frau Natascha Merveille Bope deklamiert.
Unter anderen Fragen, die besprochen worden sind: die Frage der gerechten Landverteilung, die Frage der Kluft zwischen Arm und Reich und weitere Fragen. Ein gesonderter Bericht dieser Fragen betreffend ist in Vorbereitung. Die südafrikanischen SchriftstellerInnen, deren Texte inszeniert wurden, stehen paradigmatisch für die Vielfalt der südafrikanischen Gesellschaft.
(1) Zitiert nach Claudia Kramatschek. Zwischen Elegie und Aufbruch – Literarische Impressionen aus Südafrika. Eine Sendung aus der Literaturreihe von Deutschlandfunk. Am 15.07.2018 gesendet. S. 2.
Der Abend wurde durch einen faszinierenden und informativen High-Tech-Impulsvortrag über Nelson Mandelas Vermächtnis von Dr. Yves Ekoué Amaizo geführt.
7. BUCHPRÄSENTATION: >> Idil und Warsame << von Warsame Ahmed Amalle
Ein differenziertes Eintauchen in ein komplexes und wunderbares Land: Somalia.
Diese Veranstaltung fand am 10. Oktober 2019 von 19 bis 22 Uhr in der AFRIEUROTEXT Buchhandlung (Lassallestrasse 20 / 3, 1020) statt.
Zuerst möchte der Nomadenjunge Warsame nicht von einem Mädchen mit den Ziegen und Schafen gesehen werden, weil er sich schämt, eine Mädchenarbeit zu machen. Doch dann lernt er die lebhafte Idil kennen. Er bewundert ihre Geschicklichkeit und Klugheit, ihren Weitblick und ihren kritischen Geist. In ihm erwacht ein Gefühl, das er bisher noch nicht kannte, und er möchte sich gar nicht mehr von ihr trennen. Er erzählt ihr von seinen Zukunftsplänen, sie aber lässt alles offen. Bevor sie sich verabschieden, gibt sie ihm jedoch zu verstehen, dass sie sich darauf freut, ihn am nächsten Tag wiederzusehen. Weil er dieses Rendezvous keinesfalls verpassen will, muss er seine Familie überzeugen, ihn am nächsten Tag wieder mit den Tieren auf die Weide zu schicken. Damit überrascht er alle. Schon vor Sonnenaufgang eilt er zu Idil, um ihr seine Freude kundzutun. Doch alles, was er vorfindet, sind ein verlassener Lagerplatz und die Spuren der Tiere. So erzählt Warsame Ahmed Amalle in seinem Roman über die somalische Kultur und Gesellschaft, über die wir nicht viel wissen, und wenn schon, dann eher negatives. Denn Somalia ist ein Land, dass in den Schlagzeilen der Medien meistens als Hauptexporteur von Flüchtlingen kolportiert wird. Dass allgemein humane Phänomene wie Glück durch Liebe (auch) dort keimen und zur Blüte kommen, zeigt das Buch Idil und Warsame kontrapunktisch. Dieses Buch lädt darüber hinaus zu einer Reise in die Tiefen der somalischen Kultur ein, um Land und Menschen besser und vor allem differenziert kennenzulernen.
Hier ein paar Fotos zum Literaturabend:
Diese Veranstaltung ersetzte die laut Jahresprogramm geplante Veranstaltung betitelt: Afrikanische JudInnen Wiens – Jüdische AfrikanerInnen: Produktive kulturelle Überschneidungen
8. Lesung: >> Wo wir stolpern und wo wir fallen << von Abubakar Adam Ibrahim
Diese Veranstaltung fand am 17. Oktober 2019 von 19.00 bis 21.00 Uhr in der Hauptbücherei Wien (Urban-Loritzplatz 2a, 1070 Wien) in Kooperation mit AFRIEUROTEXT statt.
Lesung auf Englisch: Abubakar Adam Ibrahim (Buchautor)
Deutsche Lesung: Robert Reinagl (Burgtheater)
Dolmetschung und Moderation: Simon INOU (Journalist & Herausgeber von Afrikanet.info & Fresh Magazine)
Für den Drogendealer Reza ist der Einbruch in das Vorstadthäuschen der Witwe Binta Zubairu bloß die Routine eines heißen Vormittags. Einen Herzschlag später wissen beide: Das, was hier geschieht, dürfte nicht sein. Die Anziehungskraft, die sie erfasst, das Begehren, das ihnen selbst ein Rätsel bleibt, verstößt gegen alle Regeln der traditionellen muslimischen Gesellschaft der Stadt Jos. Und doch: Vor dem Hintergrund der politischen und religiösen Gewalt in Nigeria entfaltet sich die sinnliche, kämpferische und verzweifelt unmögliche Liebesgeschichte zwischen einer alternden Frau, die ihren Sohn verloren hat, und dem um 30 Jahre jüngeren Anführer der Gang des Viertels. Ein üppig erzählter Roman, das lebendige Porträt einer zwischen Tradition und Moderne zerrissenen Gesellschaft. Diese Veranstaltung ersetzte die ursprünglich geplante Veranstaltung betitelt: African theological turn? Christentum in schwarzafrikanischer Lebenswirklichkeit
9. AFRIKANISCHE SCHRIFTSYSTEME ALS ALTERNATIVE GESCHICHTSSCHREIBUNG; SCHRIFT- und LITERATURKONZEPTIONEN
Diese Veranstaltung fand am 26. November 2019 von 18.30 bis 21.30 Uhr in der AFRIEUROTEXT Buchhandlung (Lassallestrasse 20 / 3, 1020) statt.
Im Gegensatz zu einer hegelianischen These, die es im 19. Jahrhundert probierte, den afrikanischen Kontinent als schriftlos und dadurch als geschichtslos zu disqualifizieren, erweist sich, dass in Afrika unterschiedliche und faszinierend schlüssige Schriftsysteme entwickelt und erarbeitet wurden. Hingewiesen wird hier z.B. auf das Shümom, das Schriftsystem des Bamun-Volkes im (post-)kolonialen Kamerun, das NKO-Schriftsystem in Guinea Conackry, sowie auf das amharische Schriftsystem in Äthiopien. Der historische Roman Der Schatten des Sultans vom Kameruner Schriftsteller Alain Patrice Nganang stellt einen der textuellen Orte dar, in denen das Shümom-Schriftsystem als Differenzierung einer einseitigen Schriftkonzeption inszeniert wird. Die Kernfrage der Podiumsdiskussion lautete: Inwiefern all diese Schriftsysteme in ein Projekt der Gegengeschichtsschreibung eingebettet und als Befragung und Hinterfragung einer eurozentrischen Schriftkonzeption gedeutet werden können. Dieses Podiumsgespräch beleuchtete nicht nur den soziohistorischen Entstehungszusammenhang dieser differierenden Schriftkonzeptionen, sondern vor allem auch deren soziopolitische Funktion im (post)kolonialen afrikanischen Kontext. In diesem Zusammenhang wurde über andere Schriftsysteme debattiert. Die Veranstaltung zielte darauf ab, das Bewusstsein für alternative Schriftkonzeptionen bzw. für alternative Geschichtsschreibungen, das heißt auch für alternative literarische und gesellschaftliche Organisationsformen zu schärfen.
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Folgende geplanten Veranstaltungen konnten aufgrund von beschränkten finanziellen Möglichkeiten nicht über die Bühne gebracht werden:
– Afrikanische Kunst/Malerei und die europäische Moderne
– Wahnsinn und Gesellschaft: Zur politischen Psychiatrie unserer Gegenwart
– Charlotte Bronte und Mongo Beti über patriarchale und matriarchale Erniedrigungsrituale
– Patrick Chamoiseaus Roman Die Spur des Anderen
Der Kulturverein AFRIEUROTEXT bedankt sich hiermit bei allen Fördergeberinstitutionen, die sein Veranstaltungsprogramm des Veranstaltungsjahrs 2019 finanziell unterstützt haben. Auch im Jahr 2020 bleibt der Kulturverein AFRIEUROTEXT mit Kulturveranstaltungen wirksam, die den Dialog, das friedliche Zusammenleben und ein differenziertes Denken und Handeln in der österreichischen Zivilgesellschaft fordern und fördern.